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André Thomkins, 50 Entries

André Thomkins wird als Sohn eines Architekten in Luzern geboren, wo er auch seine Jugendzeit verbringt. Mit 16 Jahren verlässt er das Gymnasium. Seine Freude am Zeichnen und Malen und vor allem an geometrischen Konstruktionen sind ausschlaggebend für seine Entscheidung, Künstler zu werden. 1946 lernt er den um drei Jahre älteren Serge Stauffer kennen, der ihm eigentlich Nachhilfeunterricht in Mathematik erteilen sollte. Stattdessen unterhalten sie sich über Kunst. Mit Stauffer pflegt Thomkins eine enge Freundschaft und über viele Jahre hinweg einen regen Briefwechsel. Beide interessieren sich für den Dadaismus und den Surrealismus. Die Künstler Jean Arp, Max Ernst, Picabia und Marcel Duchamp werden für Thomkins wichtig.

Von 1947 bis 1949 besucht er die Kunstgewerbeschule Luzern. Beim Luzerner Künstler Max von Moos belegt er figürliches Zeichnen und Anatomie. Daneben setzt er sich mit druckgrafischen Techniken auseinander. Von 1950 bis 1951 lebt Thomkins in Paris, wo er gelegentlich die Académie de la Grande Chaumière besucht. Doch im Grunde ist er Autodidakt und verfolgt seinen eigenen Weg. Nach der Heirat mit der Künstlerin Eva Schnell, die er in Paris kennen gelernt hatte, übersiedelt er 1952 ins deutsche Rheydt (Mönchengladbach). Das erste von fünf Kindern wird geboren. 1955 entdeckt er zufällig die Lackskin-Technik. Neben den "Lackskins" entstehen 1957 die ersten Palindrome (vor- und rückwärts lesbare Wortgruppen). Im selben Jahr liest er das neu erschienene Buch "Die Welt als Labyrinth. Manierismus in der europäischen Kunst und Literatur" von Gustav Hocke, das zu einer bedeutenden Inspirationsquelle wird und ihm Anregungen für sein eigenes Schaffen gibt. Er hat Kontakt mit Künstlern der Fluxusbewegung und des Nouveau Réalisme. Dazu gehört im speziellen Daniel Spoerri. Durch ihn begegnet Thomkins zahlreichen Kunstschaffenden.

In Essen, wo er seit 1954 lebt, stellt er 1960 in seiner ersten Ausstellung in der Galerie Van de Loo die ersten "Lackskins", Applikationen von auf Wasser schwimmendem Lack auf Papier, aus. 1961 lernt Thomkins das Werk des Holländers M. C. Escher kennen, das auf dem Prinzip der regelmässigen Unterteilung von Flächen beruht und ihm Impulse für seine "Rapportmuster" gibt. Nach diesem gestalterischen Prinzip entwirft er die Glasfenster für die protestantische Kirche in Sursee, die 1966/67 entstehen. Eine Professur für Malerei und Grafik an der Kunstakademie in Düsseldorf (von 1971 bis 1973) gibt er frühzeitig wieder auf, da seine eigene künstlerische Tätigkeit zu kurz kommt. Nach seiner ersten grossen Einzelausstellung 1971 im Kunstmuseum Basel, beginnt eine rege Ausstellungstätigkeit: 1973 erste Werkübersichten in Leverkusen, Braunschweig und Solothurn, 1978 folgt eine Retrospektive im Kunstmuseum Luzern.

1976 führen ihn Reisen nach Brüssel, Frankreich und Amsterdam. Gelegentlich entstehen Gemeinschaftsarbeiten mit Künstlerfreunden. So arbeitet er mit dem französischen Künstler Robert Filliou zusammen. Mit dem Pantographen, einem mechanisch ausfahrbaren Zeicheninstrument, stellen sie Kunstwerke her und zeigen sie 1976 in der Basler Galerie Handschin. 1978 lebt Thomkins in Zürich und bezieht ein Atelier in der Roten Fabrik (bis 1982). Im folgenden Jahr vertritt er die Schweiz an der Biennale in São Paulo. Danach zieht er von Zürich nach München, wo er an der Kunstakademie ein Atelier erhält und einzelne Studierende betreut. In dieser Zeit beginnt er vermehrt zu malen. Zwei Jahre später stirbt er mit 55 Jahren an einem Herzversagen in Berlin. Eine grosse Retrospektive in Luzern und Berlin würdigt 1989/1990 sein vielseitiges Schaffen.

André Thomkins künstlerische Tätigkeit ist breit gefächert. Er hat sich während seines ganzen Schaffens mit den verschiedensten gestalterischen Mitteln auseinandergesetzt. Hervorzuheben sind neben seinen minutiösen und komplexen Feder-, Bleistift- und Aquarellzeichnungen die Palindrome und Anagramme, in denen sein wortkünstlerisches Talent zum Zuge kommt. Bereits zu Beginn seiner künstlerischen Laufbahn spielt der geistreiche Umgang mit der Sprache eine bedeutende Rolle. Davon zeugen die zum Teil witzigen und assoziativen Bildtitel. Daneben ist er versiert in den druckgrafischen Verfahren und entwickelt eigene Techniken wie die Lackskins, er gestaltet mit minimalen Mitteln kleinere Objekte und malt, wenn auch nur wenige, Ölbilder.

Cornelia Ackermann