Otto Morach, 1 Entries
Otto Morach wird am 2. August 1887 in Hubersdorf im Kanton Solothurn geboren. 1901 zieht die Familie in die Stadt Solothurn, wo er von 1901 bis 1906 das Realgymnasium besucht. Im Anschluss an das 1908 in Bern erworbene Sekundarlehrerpatent in mathematisch-naturwissenschaftlicher Richtung belegt er während zwei Semestern Kurse an der Universität und an der Kunstgewerbeschule, um Zeichnungslehrer zu werden. Hier lernt er die Maler Johannes Itten, Arnold Brügger und Carl Fischer kennen. Die entstehenden Zeichnungen und Aquarelle – vornehmlich unter der Verwendung der Linearität des Jugendstils – zeugen von einer schülerhaften Disziplin. Erst allmählich verlässt er sein Liniengerüst und setzt die Farben frei ein, wobei er immer häufiger auch in der Natur malt.
Nach verschiedenen Anstellungen als Sekundarlehrer zieht er im Juni 1910 für ein Jahr nach Paris. Durch Félix Vallotton angeregt, beginnt er mit dem Studium des figürlichen Zeichnens. Während seines zweiten Pariser Aufenthalts im Winter 1912/13 nimmt Morach die Stilmittel der Avantgarde, insbesondere diejenigen des Futurismus und Kubismus, in seine Studienzeichnungen auf. Anstatt die verschiedenen Stile nacheinander zu durchlaufen, setzt Morach sie gleichzeitig ein und erprobt zum Teil mehrere Ausdrucksformen an derselben Modellpose. In seiner Formensprache gefestigt, kehrt Morach im Frühjahr 1913 in die Schweiz zurück. Nach einigen Wochen mit Fritz Baumann auf einem Bauernhof im Basler Jura, ziehen die beiden in die Nähe von Meiringen im Berner Oberland, um gemeinsam mit Arnold Brügger als Malertrio zu arbeiten. In der Folge entstehen zahlreiche Landschaftsmotive, insbesondere Felswände, Wasserfälle und Baumgruppen, die Morach in die Bildsprache des frühen Kubismus übersetzt. Er abstrahiert die Form- und Farbbehandlung, die Bildstruktur wird dynamisiert. In Einzelereignisse zerlegt, wandelt er das zeitliche Nacheinander im Raum in ein räumliches Nebeneinader auf der Fläche um. Menschliche Körper und Apparaturen gleicht er einander an. Zugleich malt er poetische Nachtszenen. Deren Bildpoesie erinnert an die Nachtpoesie der deutschen expressionistischen Lyrik, die die tiefe Lebensverunsicherung des modernen Menschen thematisiert.
Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs im Jahr 1914 zwingt Morach, in Solothurn zu bleiben. Sein Leben ist von Militärdienst, Schule und freiem Arbeiten geprägt. Obwohl er an der Provinzialität leidet, entstehen während dieser Jahre die Hauptarbeiten seines malerischen Gesamtwerks: in grossen Kohlezeichnungen und Ölbildern verarbeitet er seine Skizzen und Studien der Jahre 1912 und 1913. Seit seiner Rückkehr aus Paris setzt er sich fortan intensiv mit der Literatur zu den verschiedenen modernen Kunstströmungen auseinander. Als Reproduktionen zugänglich, finden die Werke der Vertreter der Moderne zum Teil einen direkten Niederschlag in Morachs Œuvre. Einige Arbeiten aus den Jahren 1914 bis 1918 offenbaren in Motivwahl sowie Form- und Farbbehandlung futuristische Tendenzen. Weiter sind Anklänge an die Werke von Robert Delaunay, an die kubistischen von Marcel Duchamp, oder auch an jene von Wassily Kandinsky und Marc Chagall auszumachen. Gleichsam befasst er sich mit Werken alter Künstler wie El Greco oder Matthias Grünewald. Nebst zahlreichen Skizzen aus städtischen Restaurants entstehen während dieser Jahre zugleich Selbstbildnisse. Im Sommer 1918 schafft Morach Marionetten für die Ausstellung des Schweizerischen Werkbundes in Zürich. Zu den neun aufgeführten Stücken gehört das Ballet „La boîte à joujoux“ von Claude Debussy. Der Künstler liefert das Bühnenbild und entwirft und bemalt die an die Formensprache des Kubismus erinnernden Puppen, die Carl Fischer schnitzt. Gemeinsam mit Sophie Taeuber-Arp gehört Morach zu den Pionieren des Schweizer Marionettentheaters.
Sich allmählich von seiner Heimat Solothurn lösend, ist es sein Ziel, die Form- und Farbwerte erneut zu überdenken. Zwischen 1918 und 1920 nimmt er an den drei Ausstellungen der Gruppe „Das Neue Leben“ in Zürich, Basel und Bern teil. Nebst Fritz Baumann, gehören u.a. Arnold Brügger, die Dadaisten Hans Arp, Sophie Taeuber und Francis Picabia sowie Oscar Lüthy – der Gründer des „Modernen Bundes“ (1911) – der Künstlergruppe an. Anfang 1919 zieht Morach nach Zürich, um an der dortigen Gewerbeschule in der Abteilung „Ornamentales Zeichnen“ zu unterrichten. Hier lernt er seine spätere Frau, die Schülerin Hermana Sjövall kennen. Im selben Jahr beginnt er mit der Plakatkunst, die ihm in der Folge internationale Anerkennung verleiht.
Während seiner Lehrtätigkeit an der Kunstgewerbeschule Zürich reist er in den frühen 1920er Jahren wiederholt ins Ausland: Ravenna, Venedig, Florenz, Prag, Berlin, Hamburg und München, sowie ins Tessin. Den Winter 1922/23 verbringt er in Norddeutschland. Die hierbei gesammelten Eindrücke widerspiegeln sich in zwei Werkgruppen: einerseits in den roten Architektur–, andererseits in den grünen Vegetationsbildern. Morach interessiert sich für die nordische Backsteingotik, die im Unterschied zur französischen, von einer grossflächigen Ausdrucksweise mit kubischer Schlichtheit geprägt ist. Er beschäftigt sich mit der Stadt als kollektivem Kunstwerk und ist von den durch das Material und den Stil einheitlichen Altstadtbildern Norddeutschlands fasziniert. Als wichtige Inspiration gelten die an den Steilhängen gelegenen Dörfer im Tessin (vgl. KML 86.37x). Die architektonischen Formen wandelt er in abstrakte geometrische Flächen um. Auffallend sind hierbei die Ähnlichkeiten zu Lyonel Feiningers Kirchenbildern. Bis etwa Mitte der 1920er Jahre finden sich bei Morach oftmals bemalte Bildrückseiten. Durch die doppelseitige Nutzung des Bildträgers spart er einerseits Materialkosten, andererseits weist diese Methode auf seine Kritikfähigkeit gegenüber seinem eigenen Werk hin, was sich insbesondere in seinem späteren Schaffen widerspiegelt.
Zwischen 1918 und 1949 schafft Morach zahlreiche Entwürfe für Glasfenster und Wandbilder. Unter anderem entwirft er ein grosses Wandgemälde für die Schweizerische Landesausstellung 1939 in Zürich in der Abteilung Eisen, Metalle und Maschinen. Im Sommer 1927 hält sich der Künstler in Südfrankreich und der Normandie auf. Seine Vorliebe für das Karge, Vegetationslose weitet sich auf das Abgestorbene und gewaltsam Zerstörte aus, was sich in den menschenleeren Architektur- und Felsenbildern widerspiegelt. Vermehrt verwendet er nun den 'Fensterausblick' – einen Bildtypus, den er früher nur vereinzelt benutzte. Das Fenster dient ihm hierbei als leerer Rahmen, den er den Panorama-Ausschnitten aufsetzt. Ab Mitte der 1930er Jahre äussert Morach vermehrt seine Unzufriedenheit gegenüber seinem eigenen Schaffen. 1953 beendet er seine Lehrtätigkeit. Im selben Jahr zieht er in ein Atelierhaus, das die Baugenossenschaft der Maler und Bildhauer Zürich an der Wuhrstrasse gebaut hat. Sein Spätwerk setzt sich vorwiegend aus düsteren Bildern, mit der Reduktion auf die Farben Schwarz, Grau und Weiss und der Beimischung von blassem Blau, Rosa und kaltem Türkis, zusammen. Aufgrund des abnehmenden Augenlichts wird er 1958 operiert. Seinem eigenen Schaffen gegenüber unsicher, überarbeitet er einige der früheren Werke (vgl. KML 86.37x). In den 1960er Jahren setzt das Interesse der Öffentlichkeit an Morachs Œuvre ein, wobei seine frühen Arbeiten als Hauptwerke gehandelt werden. Er nimmt an zahlreichen Ausstellungen teil und wird mit Preisen ausgezeichnet: 1971 mit dem Wilhelm-Gimmi-Preis und dem Kunstpreis des Kantons Solothurn. Am 25. Dezember 1973 stirbt Otto Morach in Zürich.
Patrizia Keller
Nach verschiedenen Anstellungen als Sekundarlehrer zieht er im Juni 1910 für ein Jahr nach Paris. Durch Félix Vallotton angeregt, beginnt er mit dem Studium des figürlichen Zeichnens. Während seines zweiten Pariser Aufenthalts im Winter 1912/13 nimmt Morach die Stilmittel der Avantgarde, insbesondere diejenigen des Futurismus und Kubismus, in seine Studienzeichnungen auf. Anstatt die verschiedenen Stile nacheinander zu durchlaufen, setzt Morach sie gleichzeitig ein und erprobt zum Teil mehrere Ausdrucksformen an derselben Modellpose. In seiner Formensprache gefestigt, kehrt Morach im Frühjahr 1913 in die Schweiz zurück. Nach einigen Wochen mit Fritz Baumann auf einem Bauernhof im Basler Jura, ziehen die beiden in die Nähe von Meiringen im Berner Oberland, um gemeinsam mit Arnold Brügger als Malertrio zu arbeiten. In der Folge entstehen zahlreiche Landschaftsmotive, insbesondere Felswände, Wasserfälle und Baumgruppen, die Morach in die Bildsprache des frühen Kubismus übersetzt. Er abstrahiert die Form- und Farbbehandlung, die Bildstruktur wird dynamisiert. In Einzelereignisse zerlegt, wandelt er das zeitliche Nacheinander im Raum in ein räumliches Nebeneinader auf der Fläche um. Menschliche Körper und Apparaturen gleicht er einander an. Zugleich malt er poetische Nachtszenen. Deren Bildpoesie erinnert an die Nachtpoesie der deutschen expressionistischen Lyrik, die die tiefe Lebensverunsicherung des modernen Menschen thematisiert.
Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs im Jahr 1914 zwingt Morach, in Solothurn zu bleiben. Sein Leben ist von Militärdienst, Schule und freiem Arbeiten geprägt. Obwohl er an der Provinzialität leidet, entstehen während dieser Jahre die Hauptarbeiten seines malerischen Gesamtwerks: in grossen Kohlezeichnungen und Ölbildern verarbeitet er seine Skizzen und Studien der Jahre 1912 und 1913. Seit seiner Rückkehr aus Paris setzt er sich fortan intensiv mit der Literatur zu den verschiedenen modernen Kunstströmungen auseinander. Als Reproduktionen zugänglich, finden die Werke der Vertreter der Moderne zum Teil einen direkten Niederschlag in Morachs Œuvre. Einige Arbeiten aus den Jahren 1914 bis 1918 offenbaren in Motivwahl sowie Form- und Farbbehandlung futuristische Tendenzen. Weiter sind Anklänge an die Werke von Robert Delaunay, an die kubistischen von Marcel Duchamp, oder auch an jene von Wassily Kandinsky und Marc Chagall auszumachen. Gleichsam befasst er sich mit Werken alter Künstler wie El Greco oder Matthias Grünewald. Nebst zahlreichen Skizzen aus städtischen Restaurants entstehen während dieser Jahre zugleich Selbstbildnisse. Im Sommer 1918 schafft Morach Marionetten für die Ausstellung des Schweizerischen Werkbundes in Zürich. Zu den neun aufgeführten Stücken gehört das Ballet „La boîte à joujoux“ von Claude Debussy. Der Künstler liefert das Bühnenbild und entwirft und bemalt die an die Formensprache des Kubismus erinnernden Puppen, die Carl Fischer schnitzt. Gemeinsam mit Sophie Taeuber-Arp gehört Morach zu den Pionieren des Schweizer Marionettentheaters.
Sich allmählich von seiner Heimat Solothurn lösend, ist es sein Ziel, die Form- und Farbwerte erneut zu überdenken. Zwischen 1918 und 1920 nimmt er an den drei Ausstellungen der Gruppe „Das Neue Leben“ in Zürich, Basel und Bern teil. Nebst Fritz Baumann, gehören u.a. Arnold Brügger, die Dadaisten Hans Arp, Sophie Taeuber und Francis Picabia sowie Oscar Lüthy – der Gründer des „Modernen Bundes“ (1911) – der Künstlergruppe an. Anfang 1919 zieht Morach nach Zürich, um an der dortigen Gewerbeschule in der Abteilung „Ornamentales Zeichnen“ zu unterrichten. Hier lernt er seine spätere Frau, die Schülerin Hermana Sjövall kennen. Im selben Jahr beginnt er mit der Plakatkunst, die ihm in der Folge internationale Anerkennung verleiht.
Während seiner Lehrtätigkeit an der Kunstgewerbeschule Zürich reist er in den frühen 1920er Jahren wiederholt ins Ausland: Ravenna, Venedig, Florenz, Prag, Berlin, Hamburg und München, sowie ins Tessin. Den Winter 1922/23 verbringt er in Norddeutschland. Die hierbei gesammelten Eindrücke widerspiegeln sich in zwei Werkgruppen: einerseits in den roten Architektur–, andererseits in den grünen Vegetationsbildern. Morach interessiert sich für die nordische Backsteingotik, die im Unterschied zur französischen, von einer grossflächigen Ausdrucksweise mit kubischer Schlichtheit geprägt ist. Er beschäftigt sich mit der Stadt als kollektivem Kunstwerk und ist von den durch das Material und den Stil einheitlichen Altstadtbildern Norddeutschlands fasziniert. Als wichtige Inspiration gelten die an den Steilhängen gelegenen Dörfer im Tessin (vgl. KML 86.37x). Die architektonischen Formen wandelt er in abstrakte geometrische Flächen um. Auffallend sind hierbei die Ähnlichkeiten zu Lyonel Feiningers Kirchenbildern. Bis etwa Mitte der 1920er Jahre finden sich bei Morach oftmals bemalte Bildrückseiten. Durch die doppelseitige Nutzung des Bildträgers spart er einerseits Materialkosten, andererseits weist diese Methode auf seine Kritikfähigkeit gegenüber seinem eigenen Werk hin, was sich insbesondere in seinem späteren Schaffen widerspiegelt.
Zwischen 1918 und 1949 schafft Morach zahlreiche Entwürfe für Glasfenster und Wandbilder. Unter anderem entwirft er ein grosses Wandgemälde für die Schweizerische Landesausstellung 1939 in Zürich in der Abteilung Eisen, Metalle und Maschinen. Im Sommer 1927 hält sich der Künstler in Südfrankreich und der Normandie auf. Seine Vorliebe für das Karge, Vegetationslose weitet sich auf das Abgestorbene und gewaltsam Zerstörte aus, was sich in den menschenleeren Architektur- und Felsenbildern widerspiegelt. Vermehrt verwendet er nun den 'Fensterausblick' – einen Bildtypus, den er früher nur vereinzelt benutzte. Das Fenster dient ihm hierbei als leerer Rahmen, den er den Panorama-Ausschnitten aufsetzt. Ab Mitte der 1930er Jahre äussert Morach vermehrt seine Unzufriedenheit gegenüber seinem eigenen Schaffen. 1953 beendet er seine Lehrtätigkeit. Im selben Jahr zieht er in ein Atelierhaus, das die Baugenossenschaft der Maler und Bildhauer Zürich an der Wuhrstrasse gebaut hat. Sein Spätwerk setzt sich vorwiegend aus düsteren Bildern, mit der Reduktion auf die Farben Schwarz, Grau und Weiss und der Beimischung von blassem Blau, Rosa und kaltem Türkis, zusammen. Aufgrund des abnehmenden Augenlichts wird er 1958 operiert. Seinem eigenen Schaffen gegenüber unsicher, überarbeitet er einige der früheren Werke (vgl. KML 86.37x). In den 1960er Jahren setzt das Interesse der Öffentlichkeit an Morachs Œuvre ein, wobei seine frühen Arbeiten als Hauptwerke gehandelt werden. Er nimmt an zahlreichen Ausstellungen teil und wird mit Preisen ausgezeichnet: 1971 mit dem Wilhelm-Gimmi-Preis und dem Kunstpreis des Kantons Solothurn. Am 25. Dezember 1973 stirbt Otto Morach in Zürich.
Patrizia Keller